Gerechtfertigt auf Hoffnung hin: über die (Un)Möglichkeit des Gerichts in Bernhard Schlinks "Der Vorleser"

Eine Sympathie Literaturschaffender für das Thema «Gericht» ist unübersehbar. Nicht nur liefert der Schauplatz als Kreuzungspunkt von Biographien und vorläufiges Ende manch krimineller Tat offenbar ausreichend lebensgesättigtes Material. Es ist generell auch die Form «Gericht», die die Literaten anz...

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Bibliographic Details
Main Author: Kutzer, Mirja 1974- (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
Check availability: HBZ Gateway
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Fernleihe:Fernleihe für die Fachinformationsdienste
Published: Schwabenverlag 2009
In: Internationale katholische Zeitschrift Communio
Year: 2009, Volume: 38, Issue: 4, Pages: 399-411
Standardized Subjects / Keyword chains:B Schlink, Bernhard 1944-, Der Vorleser / National Socialist crime / Justice
Online Access: Volltext (kostenfrei)
Parallel Edition:Non-electronic
Description
Summary:Eine Sympathie Literaturschaffender für das Thema «Gericht» ist unübersehbar. Nicht nur liefert der Schauplatz als Kreuzungspunkt von Biographien und vorläufiges Ende manch krimineller Tat offenbar ausreichend lebensgesättigtes Material. Es ist generell auch die Form «Gericht», die die Literaten anzieht. Mittels ihrer wird, wie in zahlreichen Stücken Friedrich Dürrenmatts, fiktional eine durch die Justiz geübte Gerechtigkeit auf den Prüfstand gestellt. Sie wird zum Symbol undurchschaubarer Fremdbestimmtheit wie in Franz Kafkas Prozess. Vielfach bedient sich Literatur der Form des Geständnisses: dem Zugeben einer Tat einschließlich dem Aufschlüsseln der Handlungszusammenhänge, der Motive, alternativer Erklärungsangebote auf der Suche nach der Lösung der Frage: „Gibt es ein Geheimnis unter der Oberfläche menschlichen Tuns? Oder sind die Menschen ganz und gar so, wie ihre Handlungen, die offen zutage liegen, es anzeigen?“ Darin rührt das Gerichtsthema wie kaum ein anderes an die ureigensten Möglichkeiten von Literatur: die moralischen Codes auf den Prüfstand zu stellen und, so formuliert es Paul Ricoeur, «ein Laboratorium zu bilden, in dem der Künstler im Modus der Fiktion ein Experiment an den Werten vornimmt». Wo Literatur das Gerichtsgenre bemüht, stellt sie selten nur einzelne Normen auf den Prüfstand. Meist steht mehr auf dem Spiel: die generelle Möglichkeit, über Tat und Täter ein Urteil zu fallen.
ISSN:2941-7228
Contains:In: Internationale katholische Zeitschrift Communio