Das Fortleben des Wüstenvaters Antonius († 356) in der »Kleinen Eiszeit«

Warum wurde der Wüstenvater Antonius († 356) zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert gemalt, aber nicht davor und kaum danach? Auf diese bislang nie gestellte Frage antwortet der Artikel mit einer historischen Argumentation: Antonius, dessen Gebeine im 11. Jahrhundert ihre Ruhestätte in Saint-Antoi...

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Bibliographic Details
Main Author: Lutterbach, Hubertus 1961- (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
Check availability: HBZ Gateway
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Fernleihe:Fernleihe für die Fachinformationsdienste
Published: 2021
In: Kirchliche Zeitgeschichte
Year: 2021, Volume: 34, Issue: 1, Pages: 109-125
Standardized Subjects / Keyword chains:B Antonius, Abbas 251-356 / Iconography / History/Recent/Little Ice Age
IxTheo Classification:CE Christian art
KAB Church history 30-500; early Christianity
KAH Church history 1648-1913; modern history
KCD Hagiography; saints
Online Access: Volltext (lizenzpflichtig)
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Description
Summary:Warum wurde der Wüstenvater Antonius († 356) zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert gemalt, aber nicht davor und kaum danach? Auf diese bislang nie gestellte Frage antwortet der Artikel mit einer historischen Argumentation: Antonius, dessen Gebeine im 11. Jahrhundert ihre Ruhestätte in Saint-Antoine fanden (im Südosten des heutigen Frankreichs, zwischen der Rhone und der italienischen Grenze gelegen), wurde dort von Anfang an verehrt. Diese Verehrung steigerte sich dadurch, dass die Menschen die Gebeine – und damit die Präsenz des Heiligen vor Ort – als besonders wirkmächtig einstuften. Zusätzliche Impulse erfuhr die Antonius-Verehrung durch eine geistliche Kommunität, die sich am Ort seiner Reliquien ansiedelte und die dafür bekannt war, dass sie Menschen unterstützte, die an der Krankheit »Mutterkornvergiftung « litten. Diese Getreidekrankheit, die zu Lähmungen und Wundbrand führt, bringt Menschen schnell an den Rand des Todes, wenn sie Brot gegessen haben, in dem verseuchtes Getreide verbacken ist. – Das Auftreten des Mutterkorns auf der einen Seite und die Verehrung des Heiligen Antonius auf der anderen Seite gipfelten zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert auf. Und dieses Zusammentreffen erweist sich als stimmig: Die Mutterkornvergiftung tritt vor allem dann auf, wenn das Wetter kühler und feuchter wird. Genau das war zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert während der sogenannten »Kleinen Eiszeit« in Europa der Fall. Und genau deshalb wurde der als religiöser Superheiler von Mutterkornvergiftung wertgeschätzte Heilige Antonius auch zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert besonders häufig gemalt. Die Gemälde mit dem Heiligen Antonius in der Mitte, die aus dieser Zeit stammen, sind somit ein Spiegel der sozialen und religiösen Situation der Menschen in dieser Zeit in Europa. Mehr noch: Die Verehrung des Heiligen Antonius ist ein wichtiges Beispiel für den Zusammenhang von Christentums- und Klimageschichte, so dass Antonius heute im Rückblick als Klimaheiliger gelten darf.
ISSN:2196-808X
Contains:Enthalten in: Kirchliche Zeitgeschichte
Persistent identifiers:DOI: 10.13109/kize.2021.34.1.109