Gibt es eine Sprache der Dinge?

Obgleich die Sprache der Dinge ein jahrhundertealter Traum westlichen Denkens ist, entlarvt sich diese Wunschvorstellung als eine Projektion von philosophischen Traditionen des Westens auf die materielle Umwelt. Forschungen der letzten dreißig Jahre haben gezeigt, dass die Bedeutung materieller Kult...

Full description

Saved in:  
Bibliographic Details
Published in:Berliner theologische Zeitschrift
Main Author: Hahn, Hans Peter (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
Check availability: HBZ Gateway
Journals Online & Print:
Drawer...
Fernleihe:Fernleihe für die Fachinformationsdienste
Published: De Gruyter 2022
In: Berliner theologische Zeitschrift
Online Access: Volltext (lizenzpflichtig)
Volltext (lizenzpflichtig)
Description
Summary:Obgleich die Sprache der Dinge ein jahrhundertealter Traum westlichen Denkens ist, entlarvt sich diese Wunschvorstellung als eine Projektion von philosophischen Traditionen des Westens auf die materielle Umwelt. Forschungen der letzten dreißig Jahre haben gezeigt, dass die Bedeutung materieller Kultur oft uneindeutig ist und viele verschiedene Deutungen zulässt. Die Idee »sprechender Dinge« ist ein Anthropomorphismus, der eine spezifische und unzulässig vereinfachende Vorstellung von Materialität und einer subjektiven Wahrnehmung von Sachbesitz offenbart. Materielle Objekte erfüllen nicht das Kriterium, arbiträr zu sein; Bedeutungen gehen oftmals nicht von Objekten als Einzeldingen, sondern von räumlichen Anordnungen von Dingen, Texten und Bildern aus. Die Semiotik hat deshalb immer wieder Zweifel an der Zeichenhaftigkeit von Objekten vorgetragen. Auch wenn Dinge bedeutsam sind, so beruht dies auf ganz anderen Formen der Vermittlung, als es bei sprachlichen Zeichen der Fall ist. Dinge als »unreine Zeichen« sind bedeutungsvoll, aber nicht immer haben sie eine eindeutige und klar bestimmbare Bedeutung.
Although the language of things is a centuries-old dream of Western thought, this wishful thinking reveals to be a projection of Western philosophical traditions onto the material environment. Research from the last thirty years has shown that the meaning of material culture is often ambiguous and open to many different, sometimes contradicting interpretations. The idea of »talking things« is an anthropomorphism revealing a specific and unduly simplistic notion of materiality. It is a sign of a high subjectivity in the perception of material items. Material objects do not fulfil the criterion of being arbitrary; meanings often emanate less from objects as individual things than from spatial arrangements of things, texts and images. Semiotics has therefore repeatedly raised doubts about the sign-like nature of objects. Even if things are significant, this statement is based on quite different forms of communication than is the case with linguistic signs. Things as »impure signs« are relevant, but do not always have a clear and definable meaning.
ISSN:2699-3414
Contains:Enthalten in: Berliner theologische Zeitschrift
Persistent identifiers:DOI: 10.1515/bthz-2022-0004