Wirksamkeit von Ausnahmeregelungen zum Sonn- und Feritagsschutz. Hess.VGH, Urteil vom 12.9.2013

1. Gewerkschaften können sich aufgrund ihrer Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 und 3 GG auf den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nach Art. 139 WRV iVm Art. 140 GG berufen und daraus eine Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge gegen untergesetzliche Rechtsnormen herleiten, die eine zusätzliche Besch...

Full description

Saved in:  
Bibliographic Details
Corporate Author: Hessen, Verwaltungsgerichtshof (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
Check availability: HBZ Gateway
Fernleihe:Fernleihe für die Fachinformationsdienste
Published: De Gruyter 2017
In: Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946
Year: 2017, Volume: 62, Pages: 131-147
Online Access: Volltext (Verlag)
Description
Summary:1. Gewerkschaften können sich aufgrund ihrer Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 und 3 GG auf den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nach Art. 139 WRV iVm Art. 140 GG berufen und daraus eine Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge gegen untergesetzliche Rechtsnormen herleiten, die eine zusätzliche Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ermöglichen. 2. Gleiche Schutzrechte haben Dekanate der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; sie sind juristische Personen, als solche im verwaltungsrechtlichen Normenkontrollverfahren gem. § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig und gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG iVm Art. 139 WRV und Art. 140 GG antragsbefugt. 3. Aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 1 und 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) können die Landesregierungen keine dem Bundesgesetzgeber vorbehaltenen wesentlichen Grundentscheidungen treffen. Deshalb sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 der hessischen Bedarfsgewerbeverordnung (BedGewV) geregelten Ausnahmen vom gesetzlichen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit unwirksam (betrifft Getränkeindustrie und -großhandel, Eisfabriken und Großhandel sowie Callcenter). 4. Das gesetzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat weder bei Videotheken und öffentlichen Bibliotheken noch bei Lotto- und Totogesellschaften erhebliche Schäden iSd § 13 Abs. 1 ArbZG zur Folge. Deshalb sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 10 BedGewV geregelten Ausnahmen von diesem Verbot unwirksam. 5. Im Buchmachergewerbe dürften allenfalls die den zertifizierten oder konzessionierten Buchmachern vorbehaltenen Abschlüsse und Vermittlungen von Pferdewetten ausschließlich an Sonn- und Feiertagen möglich sein, da jeweils erst an den Renntagen das Teilnehmerfeld feststeht. Da die diesen Gewerbezweig betreffende Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV nicht auf die Annahme von Pferdewetten beschränkt ist und wegen ihrer tatbestandlichen Weite ihre Auswirkungen nicht abschätzbar sind, ist sie ebenfalls unwirksam.
ISBN:3110519674
Contains:Enthalten in: Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946
Persistent identifiers:DOI: 10.1515/9783110519679