Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 148/01: Ordentliche krankheitsbedingte Kündigung bei langanhaltender Krankheit - Negativprognose

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG: 1. Genügt der kirchliche Arbeitgeber seiner nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz bestehenden Verpflichtung, die Initiative zur Bildung einer Mitarbeitervertretung zu ergreifen, kommt es aber trotzdem nicht zur Wahl einer Mitarbeitervertretung...

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Corporate Author: Deutschland, Bundesarbeitsgericht (Author)
Format: Print Article
Language:German
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Published: Beck 2002
In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht <München>
Year: 2002, Volume: 19, Pages: 1081
IxTheo Classification:SB Catholic Church law
Further subjects:B Jurisdiction
B Employee resignation
B Law
B Disease
B Labor law
Description
Summary:Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG: 1. Genügt der kirchliche Arbeitgeber seiner nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz bestehenden Verpflichtung, die Initiative zur Bildung einer Mitarbeitervertretung zu ergreifen, kommt es aber trotzdem nicht zur Wahl einer Mitarbeitervertretung, weil sich kein Mitarbeiter zur Wahl bereit findet, so braucht der Arbeitgeber kein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Er handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf das Fehlen einer Mitarbeiter-Vertretung beruft. 2. Hängt die Wirksamkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts von der vorherigen Zustimmung (= Einwilligung) eines Dritten ab (§ 182 BGB), so muss die Einwilligung erst bei Vornahme des Rechtsgeschäfts vorliegen. 3. Für die Rechtfertigung einer Kündigung aus Anlass einer langanhaltenden Erkrankung kommt es auch auf der ersten Stufe (Negativprognose) auf die objektive Lage bei Ausspruch der Kündigung an. Auch wenn sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual geweigert hat, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so handelt er dennoch nicht treuwidrig, wenn er im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis bestreitet. 4. Ob ein Arbeitnehmer, der rechtswidrig und schuldhaft eine Fehleinschätzung des Prozessrisikos beim Arbeitgeber herbeiführt, diesem zum Ersatz des entstandenen Schadens (vergeblich aufgewandte Rechtsverfolgungskosten) verpflichtet ist, bleibt unentschieden. 5. Von einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (2. Stufe) ist in aller Regel auch ohne weitere Darlegungen auszugehen, wenn bei Ausspruch der Kündigung für die nächsten 24 Monate nicht mit einer günstigeren Prognose zu rechnen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose ist der Ausspruch der Kündigung. Davor liegende Krankheitszeiten bleiben in diesem Zusammenhang außer Betracht. Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung: Bestätigung und Ergänzung von Senat [29. 4. 1999], BAGE 91, BAGE Band 91 Seite 271 = NZA 1999, NZA Jahr 1999 Seite 978 = NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 893. § 1 Absatz II; BGB §§ BGB § 180, BGB § 182 BGB § 184, BGB § 242; Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG i.d.F. vom 5. 11. 1998) § 7, MVG § 16, MVG § 38, MVG § 41, MVG § 428 1. Weigert sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so ist es ihm dennoch nicht verwehrt, im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis zu bestreiten. 2. Bei einer Kündigung aus Anlass einer Langzeiterkrankung ist bei krankheitsbedingter dauerhafter Leistungsunfähigkeit in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (2. Stufe) auszugehen. Der dauerhaften Leistungsunfähigkeit steht die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Vor der Kündigung liegende Krankheitszeiten können in den Prognosezeitraum (24 Monate) nicht eingerechnet werden (Bestätigung und Ergänzung von Senat [29. 4. 1999], BAGE 91, BAGE Band 91 Seite 271 = NZA 1999, NZA Jahr 1999 Seite 978 = NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 893)
ISSN:0943-7525
Contains:Enthalten in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht