Wozu außereuropäische Religionsgeschichte?: Überlegungen zu ihrem Nutzen für die religionswissenschaftliche Theorie- und Identitätsbildung

In diesem Beitrag möchte ich am Beispiel der »großen Frage« nach Inhalt und Umfang eines wissenschaftlichen und zu komparativen Zwecken anwendbaren Religionsbegriffs - der meines Erachtens für die fachliche Identitätsbildung und institutionelle Selbstbehauptung der Religionswissenschaft als eigenstä...

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Main Author: Kleine, Christoph 1962- (Author)
Format: Electronic/Print Article
Language:German
Check availability: HBZ Gateway
Journals Online & Print:
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Fernleihe:Fernleihe für die Fachinformationsdienste
Published: ˜deœ Gruyter 2010
In: Zeitschrift für Religionswissenschaft
Year: 2010, Volume: 18, Issue: 1, Pages: 3-38
Standardized Subjects / Keyword chains:B Non-European culture / Religion / Concept of / Science of Religion
IxTheo Classification:AA Study of religion
Online Access: Volltext (kostenfrei)
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Description
Summary:In diesem Beitrag möchte ich am Beispiel der »großen Frage« nach Inhalt und Umfang eines wissenschaftlichen und zu komparativen Zwecken anwendbaren Religionsbegriffs - der meines Erachtens für die fachliche Identitätsbildung und institutionelle Selbstbehauptung der Religionswissenschaft als eigenständige akademische Disziplin unerlässlich ist - zeigen, warum ich die außereuropäische Religionsgeschichte nach wie vor für einen unverzichtbaren Grundpfeiler der Religionswissenschaft halte. Dabei versuche ich deutlich zu machen, dass nur religionswissenschaftlich geschulte Forscher mit guter Kenntnis der außereuropäischen Religionsgeschichte (bzw. eines bestimmten Teilbereichs derselben) und der relevanten Quellensprachen in der Lage sind, die verfügbaren empirischen Daten sinnvoll auszuwerten und das auf diese Weise selbst generierte Wissen in die allgemeine Theoriediskussion der Religionswissenschaft fruchtbar einzubringen. Nur durch die Einbeziehung emischer Diskurse und objektsprachlicher Terminologien (zum Beispiel aus der asiatischen Religionsgeschichte) können vorschnelle Urteile über das angebliche Fehlen semantischer Äquivalente zum modernen europäischen Religionsbegriff in Asien sowie eurozentrische Religionsdefinitionen vermieden werden. Am Beispiel Ostasiens und unter Rückgriff auf Wittgensteins Konzept von den Familienähnlichkeiten bzw. das Mittel der polythetischen Klassifikation will ich nachweisen, dass es im vormodernen Ostasien zwar keinen singulären Allgemeinbegriff im Sinne eines unmittelbaren Äquivalents zum modernen europäischen Religionsbegriff gegeben hat, durchaus aber ein begriffliches Konzept von »Religion«, dessen Denotation je nach diskursivem Kontext gleichwohl variierte. Anschließend werfe ich die Frage auf, ob man im vormodernen Ostasien dementsprechend ein soziales System im Sinne der funktionalen Systemtheorie Luhmanns, welches man mit dem Klassenbegriff »Religion« beschreiben könnte, von anderen sozialen Systemen unterschied. Die Erkenntnisse, die sich aus einer solchen, hier nur angedeuteten Untersuchung ergeben, können und müssen in die religionswissenschaftliche Theorie- und Begriffsbildung eingespeist werden. Somit ist außereuropäische Religionsgeschichte nicht bloße Erbsenzählerei im exotischen Feld, sondern absolut essentiell für die Theoriediskussion unseres Faches.
ISSN:0943-8610
Contains:In: Zeitschrift für Religionswissenschaft
Persistent identifiers:DOI: 10.15496/publikation-32908
HDL: 10900/91527