Die „rites de passage“ nach Arnold van Gennep: Ritualanalyse und theologische Legitimationsstrategien

Rituale können an Übergängen zwischen Lebensphasen oder gesellschaftlichen Status vollzogen werden und dadurch den vollzogenen Wechsel erfahrbar machen. In diesem Kontext wurde die Theorie von Arnold van Gennep breit rezipiert. Van Gennep hat nicht nur aus der ethnologischen Literatur des späten neu...

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Bibliographic Details
Main Author: Leonhard, Clemens 1967- (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
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Published: ULB Münster [2015]
In: Pastoraltheologische Informationen
Year: 2015, Volume: 35, Issue: 1, Pages: 245-260
IxTheo Classification:CH Christianity and Society
NBE Anthropology
NBP Sacramentology; sacraments
RC Liturgy
Online Access: Volltext (kostenfrei)
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Description
Summary:Rituale können an Übergängen zwischen Lebensphasen oder gesellschaftlichen Status vollzogen werden und dadurch den vollzogenen Wechsel erfahrbar machen. In diesem Kontext wurde die Theorie von Arnold van Gennep breit rezipiert. Van Gennep hat nicht nur aus der ethnologischen Literatur des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts viele Beispiele für solche Übergangsriten gesammelt, sondern meinte auch, im Vollzug dieser Rituale ein universelles, dreistufiges Schema zuerkennen. Menschen würden in Trennungsriten zunächst aus ihrem alten sozialen Status herausgelöst. Sie würden anschließend in einer liminalen Phase transformiert und schließlich durch Angliederungsriten in ihren neuen Status eingesetzt. In diesem Essay soll erstens gezeigt werden, dass das dreistufige Schema, welches die Theorie von Arnold van Gennep auf konkrete Beispiele anwendbar macht, nutzlos ist, wobei dabei die Kategorie der Übergangsriten im Allgemeinen weder gestützt noch angegriffen werden soll. Zweitens soll die aus der Behauptung der Universalität von Übergangsriten abgeleitete Norm, dass Lebensphasen von Übergangsritualen begleitet, dargestellt oder hergestellt werden müssen, in Frage gestellt werden. Schließlich soll drittens gefragt werden, warum sich diese Theorie trotz der aufgezeigten Mängel so großer Beliebtheit und Plausibilität erfreut.1 Der Essay kommt zu dem Schluss, dass die van Gennep‘sche Theorie der Übergangsriten als Analyseinstrument für Rituale aufzugeben ist. Gleichzeitig muss untersucht werden, welche politischen Implikationen die Anwendung dieser Theorie haben kann.
In 1909, Arnold van Gennep published a theoretical study about a type of rituals that he called rites de passage. He observed that such rituals were performed all over the world and consisted of three consecutive stages - rites of separation, the liminal phase of transformation, and rites of aggregation.These rituals transform the social status of individuals. Van Gennep’s basic intuition is of course valid. Yet, when he applied his own theory to actual examples, inconsistencies abound especially in his analyses of Christian rituals such as baptism. While one must not disdain a pioneer like van Gennep who might have overstated the force of his own thesis, it is stunning that contemporary theologians simply take his theory for granted and apply it ubiquitously (as van Gennep did). Furthermore, it may be observed that the universality of the thesis is used in quite crude cases of natural fallacies. Thus, certain modern texts insinuate that certain rituals must be performed because they are rites de passage, and because rites de passage are part and parcel of human nature. The paper presents examples that show how an admittedly sweeping anthropological thesis becomes a truism that supports theological value judgments about modern rituals and even life-styles. It argues that these value judgements are inadmissible and that Christian rituals must be studied with more elaborate and refined methods than van Gennep’s observations about rites de passage.
ISSN:0555-9308
Contains:Enthalten in: Pastoraltheologische Informationen
Persistent identifiers:URN: urn:nbn:de:hbz:6:3-pthi-2015-13790