Islamische Theologie an staatlichen Hochschulen

Die Zulässigkeit theologischer Lehre und Forschung (und damit insbesondere auch theologischer Fakultäten) an staatlichen Hochschulen war bis in die jüngste Vergangenheit hinein nicht ganz unumstritten. Mit dem Beschluss des BVerfG im Fall Lüdemann aus dem Jahre 2008 (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 21...

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Published in:Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Main Author: Weber, Hermann 1936- (Author)
Format: Print Article
Language:German
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Published: Beck 2015
In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
IxTheo Classification:SB Catholic Church law
Further subjects:B Islam
B Institute of higher learning
Description
Summary:Die Zulässigkeit theologischer Lehre und Forschung (und damit insbesondere auch theologischer Fakultäten) an staatlichen Hochschulen war bis in die jüngste Vergangenheit hinein nicht ganz unumstritten. Mit dem Beschluss des BVerfG im Fall Lüdemann aus dem Jahre 2008 (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 2190) ist diese Frage jedenfalls für die Praxis endgültig in positivem Sinne geklärt (zur Rechtslage der theologischen Ausbildung nach dem Lüdemann-Beschluss vgl. zusammenfassend H. M. Heinig/H. Munsonius/V. Vogel [Hrsg.], Organisationsrechtliche Fragen der Theologie, 2012). Die wissenschaftliche Diskussion hat sich in neuerer Zeit denn auch - unter dem Einfluss vor allem einer viel beachteten Äußerung des Wissenschaftsrats aus dem Jahre 2010 ("Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen" v. 29.1.2010, Drs. 9678-10) - auf die Frage verlagert, ob es angesichts der veränderten religionssoziologischen Strukturen in Deutschland auf Dauer bei dem traditionellen Monopol der christlichen (sprich evangelischen oder katholischen) Theologie bleiben kann, ob also (und gegebenenfalls wie) - entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrats - zumindest der jüdischen und der islamischen Theologie ein angemessener Raum an der staatlichen Universität eingeräumt werden kann (oder gar aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeräumt werden muss). Als Folge dieser Diskussion ist als erste Lehrstätte für jüdische Theologie an einer staatlichen Universität am 19.11.2013 in Potsdam die "School of Jewish Theology" eröffnet worden (vgl. dazu: Jüdische Theologie an der Universität Potsdam. Festschrift anlässlich der Eröffnung der School of Jewish Theology, o.?J. [2013]; zur Vorgeschichte W. Homolka in ders./H.-G. Pöttering [Hrsg.], Theologie an der Universität, 2013, 53?ff.). Ungefähr zur selben Zeit wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vier Zentren für Islamische Studien bzw. Islamische Theologie (an den Universitäten Tübingen, Münster und Osnabrück, Frankfurt am Main und Gießen sowie Erlangen/Nürnberg) ausgewählt, die vom Bund - zunächst über fünf Jahre - vor allem durch Mittel für Forschungsprofessuren, Mitarbeiterstellen und Nachwuchsgruppen gefördert werden. Rechtlich werden die Errichtung und der Betrieb solcher Zentren (oder gar - in der Zukunft denkbarer - islamisch-theologischer Fakultäten) durch das Fehlen einer klar strukturierten islamischen Religionsgemeinschaft erschwert, deren Organe eindeutig legitimiert und in der Lage wären, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeinschaft (Art. GG Artikel 140 GG iVm Art. WRV Artikel 137 WRV Artikel 137 Absatz III WRV) ergebenden Mitwirkungsbefugnisse (vgl. auch dazu den Lüdemann-Beschluss, NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 2190 [NJW Jahr 2009 2192?f.]) wahrzunehmen. Die Praxis hat sich als Ausweg zumindest für eine Übergangszeit in der Mehrzahl der Fälle für die einseitige Schaffung staatlich organisierter Beiräte entschieden, die die Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaft in deren Vertretung wahrnehmen (zu den damit verbundenen Problemen vgl. Ch. Walter/J. Oebbecke/H. de Wall/A.?v. Ungern-Sternberg/M. Indenhuck [Hrsg.], Die Einrichtung von Beiräten für Islamische Studien, 2011) - eine Lösung, deren verfassungsrechtliche Tragfähigkeit keineswegs unbestritten ist. Die Arbeit von Anne-Kathrin Lange - im Ausgangspunkt eine Bonner Dissertation aus dem Jahre 2012 - gibt eingangs einen sehr nützlichen, in Einzelheiten freilich schon heute nicht mehr ganz aktuellen Überblick über die Situation staatlicher Ausbildung in islamischer Theologie in Deutschland (S. 19-40). Sie bejaht dann - wenn auch nicht ohne Bedenken gegenüber üblicherweise gegebenen Begründungen - die Zulässigkeit theologischer Fakultäten (S. 42-91), spricht sich für einen - aus Art. GG Artikel 7 GG Artikel 7 Absatz III GG, aber auch aus Paritätsgründen resultierenden - Anspruch islamischer Religionsgemeinschaften auf solche Fakultäten aus (S. 107-128) und wendet sich schließlich dem eigentlich neuralgischen Punkt, den strukturellen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaft (S. 129-260), zu. Im Ergebnis (vgl. die Zusammenfassung, S. 326-332) sieht Lange die Beiratslösung auch als "Brückenlösung" für die derzeitigen Übergangsformen als verfassungsrechtlich "höchst problematisch" an (S. 229?f.); die - auf Dauer anzustrebende - Begründung echter islamisch-theologischer Fakultäten parallel zu denjenigen der christlichen Konfessionen (S. 293-325) bleibe "jedenfalls so lange verfassungswidrig, bis eine Religionsgemeinschaft als vollwertiger Partner beteiligt werden kann" (S. 331?f.). Unabhängig davon, ob man der Verfasserin in diesem rigorosen Standpunkt auch für die derzeitigen Übergangslösungen uneingeschränkt folgen mag, bietet ihre Arbeit (die durch Exkurse zur Finanzierung von Imamen in Deutschland [S. 261-270] und zur Islamischen Theologie im europäischen Vergleich [S. 271-292] abgerundet wird) eine grundlegende Aufarbeitung der einschlägigen Probleme auf - fast - aktuellem Stand, die die weitere Diskussion sicher nachhaltig beeinflussen wird
ISSN:0721-880X
Contains:Enthalten in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht