Verfassungsbeschwerde gegen Dritten Weg im kirchlichen Arbeitsrecht unzulässig
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der im fachgerichtlichen Verfahren erfolgreichen Bf. ist der Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen durch kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen (sog „Dritter Weg“). Die evangelische Kirche und die katholische Kirche stimmen...
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Format: | Print Article |
Language: | German |
Check availability: | HBZ Gateway |
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Published: |
Beck
2015
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In: |
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
Year: 2015, Volume: 18, Pages: 1117-1122 |
IxTheo Classification: | SB Catholic Church law |
Further subjects: | B
Jurisdiction
B Labor law B Constitutional law |
Summary: | Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der im fachgerichtlichen Verfahren erfolgreichen Bf. ist der Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen durch kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen (sog „Dritter Weg“). Die evangelische Kirche und die katholische Kirche stimmen darin überein, dass es dem Wesen des Dienstes in der Kirche nicht gerecht wird, wenn der Inhalt der Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter einseitig durch den kirchlichen Gesetzgeber oder durch kirchliche Leitungsorgane gestaltet wird. Umstritten war in der Vergangenheit, ob dieser so genannte „Erste Weg“ durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen Kirchen und Gewerkschaften abgelöst (sog „Zweiter Weg“) oder stattdessen in der Entwicklung eines eigenständigen kirchlichen Beteiligungsmodells ein „Dritter Weg“ gegangen werden sollte (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1). Die evangelischen Landeskirchen haben sich mit Ausnahme zweier Landeskirchen, die ein Verfahren eines kirchengemäßen „Zweiten Weges“ gewählt haben, für den „Dritten-Weg“, also für die Schaffung eines eigenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens entschieden (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 13 Rn. 1; Keßler, FS W. Gitter, 1995, 461 [465]). Sie sind damit der Empfehlung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Richtlinie vom 8.10.1976 gefolgt, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines von ihm verabschiedeten Musterentwurfs eines Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst zu regeln (Richtlinie gem. Art. EKDGO Artikel 9 Buchst. b der Grundordnung der EKD für ein Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst [Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG] vom 8.10.1976 [ABl. EKD S. 398]). Kernstück des Verfahrenskonzepts des „Dritten Weges“ ist die Arbeitsrechtliche Kommission als ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern von Dienstgebern und Dienstnehmern besetzt ist. Ihre Aufgabe liegt darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Ihr ist damit eine Funktion zugewiesen, die sonst durch den Abschluss von Tarifverträgen wahrgenommen wird (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 14 Rn. 7; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, 2002, S. 189). Hinsichtlich der personalen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in einer Arbeitsrechtlichen Kommission, des Besetzungsverfahrens und der Frage nach dem Letztentscheidungsrecht zwischen Kommission und Synode weisen die Lösungen der Landeskirchen vielfältige Regelungen auf (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 14 Rn. 8?ff.). Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zu Stande, so wird ein ebenfalls paritätisch zusammengesetzter Schlichtungsausschuss mit der Angelegenheit befasst. Dieser entscheidet abschließend. Streiks und Aussperrung sind ausgeschlossen. Für die am arbeitsgerichtlichen Ausgangsverfahren beteiligte Evangelische Kirche von Westfalen und ihr Diakonisches Werk wurden die Arbeitsrechtsregelungen nach dem Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG-Westfalen) vom 15.11.2001 (KABl. 2002, 70) idF vom 17.11.2011 (KABl. S. 285) durch eine paritätisch mit je neun Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzte Arbeitsrechtliche Kommission und eine Schiedskommission festgelegt. Zwischenzeitlich wurde das Kirchengesetz geändert und liegt nunmehr idF vom 21.11.2013 (KABl. S. 268) vor. Für die ebenfalls fachgerichtlich beteiligte Evangelisch-?lutherische Landeskirche Hannovers gilt dies im Wesentlichen entsprechend. Das dortige Verfahren des „Dritten Weges“ ist im Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 3.11.1997 (KABl. S. 261) geregelt. Das Kirchengesetz wurde am 2.7.2012 (KABl. S. 217) zuletzt geändert und am 8.3.2014 (KABl. S. 60) grundlegend neugefasst. Die Diözesen der römisch-katholischen Kirche folgen ausnahmslos dem „Dritten Weg“ gem. Art. EKDGO Artikel 7 EKDGO Artikel 7 Absatz I der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, die auf kirchengesetzlicher Grundlage allgemeines Recht für den Gesamtbereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik ist (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 13 Rn. 1, § 14 Rn. 15). In Art. EKDGO Artikel 7 EKDGO Artikel 7 Absatz II der Grundordnung ist festgelegt, dass wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen. Streik und Aussperrung scheiden danach ebenfalls aus. Insgesamt stimmen die christlichen Kirchen trotz der Verschiedenheit ihrer Beteiligungsmodelle darin überein, dass nach ihrem Selbstverständnis jede Dienst- und Arbeitsleistung den kirchlichen Auftrag in der Welt verwirklicht. Der Gedanke der christlichen Dienstgemeinschaft soll deshalb auch in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommen (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 13 Rn. 2; Joussen, RdA 2007, RDA Jahr 2007 Seite 328 [RDA Jahr 2007 333]; Tillmanns, NZA 2013, NZA Jahr 2013 Seite 178 [NZA Jahr 2013 179?f.]; vgl. im Übrigen BVerfG [2. Senat], NZA 2014, NZA Jahr 2014 Seite 1387 Rn. NZA Jahr 2014 Seite 1387 Randnummer 10, zur Veröff. in der amtl. Sammlung vorgesehen). Einen Arbeitskampf mit Streik und Aussperrung kann es aus Sicht der christlichen Kirchen auf dieser Basis nicht geben. Die Dienstgemeinschaft ist danach auf das Miteinander im Dienste Gottes und seines Auftrags an die Kirche gerichtet, so dass es die Gemeinsamkeit des Ziels und der Aufgabe ausschließe, durch offenen Druck gegeneinander eine Änderung der Arbeitsbedingungen erzwingen zu wollen. Nach Abschluss des Ausgangsverfahrens vor den Arbeitsgerichten wurden im Bereich der EKD mit dem Kirchengesetz über die Grundsätze zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie vom 13.11.2013 (Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz - ARGG-EKD; ABl. EKD S. 420; vgl. dazu Joussen, ZevKR 59 [2014], S. ZEVKR Jahr 59 Seite 50; Klumpp, ZMV 2014, 2) kirchengemäße tarifvertragliche Lösungen, also der „Zweite Weg“, erstmals gleichrangig neben den Regelungen über den „Dritten Weg“ normiert. Zwischenzeitlich ist zudem das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung der Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 8.3.2014 (KABl. S. 60) in Kraft getreten. Danach haben alle erfassten Rechtsträger der Diakonie in allen betroffenen Einrichtungen nunmehr in erster Linie kirchengemäße Tarifverträge anzuwenden. Die Bf. schloss im September 2014 mit dem Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen einen solchen Tarifvertrag ab, welcher am 1.10.2014 in Kraft trat. In ihm sind im Wesentlichen alle Regelungen zusammengefasst, die zuvor in den Arbeitsvertragsrichtlinien festgeschrieben waren. Ferner wurden in den beiden im Ausgangsverfahren beteiligten Landeskirchen kirchengesetzliche Regelungen modifiziert, unter anderem um künftig sicherzustellen, dass für kirchliche Arbeitgeber kein Wahlrecht zwischen verschiedenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen besteht. In der römisch-katholischen Kirche kam es im Anschluss an das angegriffene Urteil des BAG vom 20.11.2012 (NZA 2013, NZA Jahr 2013 Seite 448) ebenfalls zu Neuerungen. Die Neufassung der Grundordnung vom 27.4.2015 regelt erstmals ausdrücklich, dass die Mitwirkung der Gewerkschaften in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des „Dritten Weges“ gewährleistet ist (Art. EKDGO Artikel 6 EKDGO Artikel 6 Absatz III der Grundordnung). Die Bf. ist eine Gewerkschaft. Sie ist Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds. In ihr sind unter anderem Mitglieder aus dem Bereich karitativer und kirchlicher Einrichtungen organisiert. Die Kl. des Ausgangsverfahrens sind zwei evangelische Landeskirchen sowie sieben in kirchlicher Trägerschaft stehende Einrichtungen der Diakonie. Im Ausgangsverfahren begehrten sie die Verpflichtung der Bf., zukünftig Streikaufrufe sowie die Durchführung und Organisation von Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Kl. zu unterlassen. Die Klage hatte vor dem ArbG Bielefeld (Urt. v. 3.3.2010 - ARBGBIELEFELD Aktenzeichen 3CA295809 3 Ca 2958/09, BeckRS 2010, BECKRS Jahr 71819) im Wesentlichen Erfolg. Mit Urteil vom 3.3.2010 hat das ArbG entschieden, den Kl. stehe gegen die Bf. ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Streikmaßnahmen nach § BGB § 1004 BGB iVm § BGB § 823 BGB zu. Die angekündigten Streikmaßnahmen seien rechtswidrig, weil den Gewerkschaften gegen Kirchen und Träger kirchlicher Einrichtungen kein Streikrecht zustehe. Auf die Berufung der Bf. hat das LAG Hamm (NZA-RR 2011, NZA-RR Jahr 2011 Seite 185) unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Kl. mit Urteil vom 13.1.2011 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, soweit diese obsiegt hatten und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit Urteil des BAG vom BAG 20.11.2012 (NZA 2013, NZA Jahr 2013 Seite 448) sind die Revisionen der kirchlichen Einrichtungen gegen die Entscheidung des LAG zurückgewiesen worden. Nach Auffassung des BAG waren die Anträge - soweit zulässig - unbegründet. Die Bf. wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des BAG vom 20.11.2012 (NZA 2013, NZA Jahr 2013 Seite 448) und sind der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Eine Beschwer sei zwar nicht durch den Tenor, jedoch durch die Entscheidungsgründe des Urteils des BAG gegeben. Ausnahmsweise seien die Gründe und nicht der Entscheidungstenor relevant, wenn diese den Betroffenen so belasteten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen festzustellen sei. Das sei hier der Fall. Nach den Entscheidungsgründen beeinträchtigten gewerkschaftliche tarifbezogene Streiks das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise. Zudem ergebe sich aus den Urteilsgründen, dass gewerkschaftliche Streiks ohne tarifliches Regelungsziel generell rechtswidrig seien. Mit ihren Ausführungen zur Begründetheit wendet sich die Bf. vor allem gegen drei „Rechtssätze gesetzesvertretenden Richterrechts“ in dem Urteil des BAG. Danach seien tarifbezogene gewerkschaftliche Streiks gegenüber dem „Dritten Weg“ unter den vom BAG formulierten Voraussetzungen rechtswidrig. Zudem treffe das Gericht Aussagen zur Tarifbezogenheit des gewerkschaftlichen Streikrechts und bestimme überdies, dass nur den Kirchen, nicht aber den Gewerkschaften ein Wahlrecht zwischen dem „Zweiten“ und dem „Dritten Weg“ zustehe. Diese „Rechtssätze“ verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. GG Artikel 9 GG Artikel 9 Absatz III GG. Entgegen der Auffassung des BAG sei der Schutzbereich des Art. GG Artikel 140 GG iVm Art. WRV Artikel 137 WRV Artikel 137 Absatz III WRV vorliegend nicht einschlägig. Der Zweite Senat des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde verworfen |
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ISSN: | 0943-7525 |
Contains: | Enthalten in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
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